Spielwiese#autorblog: Anschläge - Spielwiese

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Roman Vilgut

Journalist & Blogger

#autorblog: Anschläge

Anschlag – dieses Wort verwendet man heute hauptsächlich im Kontext mit Krieg und Terror. Für mich hat dieser Begriff allerdings auch eine andere Bedeutung.

1993 traf mein jugendliches Selbst eine sehr vernünftige Entscheidung – sehr zum Erstaunen meines gealterten Selbst. An der Volkshochschule belegte ich den Kurs „Schreiben auf der Schreibmaschine“. Damals kam ich das erste Mal in Kontakt mit dem Wort Anschlag – oder vielmehr der Mehrzahl davon: Anschläge. Die Trainerin erklärte uns am Anfang des Semesters, das Ziel des Kurses seien 120 Anschläge die Minute.

Heute ist der Begriff leider in Vergessenheit geraten. Irgendwann in den 1990ern hat ein Übersetzer die Anschläge aus dem Wortschatz radiert. Im damaligen Monopol-Programm Word wurde daraus „Zeichen inkl. Leerzeichen“.

Wie langweilig. Ein Zeichen kann ja irgendetwas sein. Doch ein Anschlag beschreibt die Kraft, mit der ich auf die Tasten einhämmere, birgt in sich das Klackern der Tastatur. Er erklärt, warum bei mir eine der Tasten RTGVBNHJZU regelmäßig den Geist aufgibt. Ich zeichne diese Buchstaben doch nicht; ich schlage sie mit meinem Zeigefinger.

Doch nicht nur die haptische Gewalt liegt in diesem schönen Wort. Es beschreibt auch viel treffender die Angst des Schreibers vor dem leeren Blatt oder vielmehr dem leeren Bildschirm. So ein Kapitel eines Buches beispielsweise hat zehn bis 20 Seiten, pro Seite gut 40 bis 50 Zeilen mit 40 bis 50 Zeichen. Das klingt ja alles nicht so schlimm, oder?

Das sind 16.0000 bis 50.000 Anschläge! Für mich ist diese Aufgabe eine Herausforderung.