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Roman Vilgut

Journalist & Blogger

Friseurbesuch für die gesamte EU

Heute will ich eine These erörtern, die vielleicht radikal klingt aber das Schuldenproblem Europas lösen könnte. Außerdem würde sie Staatsanleihen als das entlarven, was sie sind: die unsicherste Anlageform der Geschichte. Wovon ich spreche: ein Haircut für alle EU-Staaten.

Allen politischen Beteuerungen zum Trotz sollten die Verantwortlichen langsam einsehen, dass Griechenland die Schuldenlast nicht tragen kann, Selbes gilt für Portugal. Nur Irland traue ich zu, selbst aus der Schuldenkrise zu kommen. In einer politischen Gemeinschaft wie der EU sollte das auch weiter kein Problem sein.

Warum es dennoch eines ist: In einem irregeleiteten Nationalgefühl versuchen die Staatschefs – allen voran Merkel und Faymann – ihre Wähler davor zu bewahren „die Schulden der anderen zu bezahlen“. Damit treffen sie scheinbar auch den Zeitgeist der meisten Europäer. Längst ist nicht mehr das Gemeinsame wichtig, sonder jeder Mitgliedstaat versucht für sich selbst das Beste aus der EU zu ziehen.

Da gibt es einen Steuerwettbewerb, Länder wie Deutschland, Österreich und die Niederlande versuchen alles um ihre Exportindustrie zu stützen, ohne Rücksicht darauf, ob die weniger entwickelten Partnerstaaten da mitkommen. Wenn diese dann in Schulen ersticken, will man damit nichts zu tun haben.

Soweit zur aktuellen Stimmungslage. Etwas übersehen aber die Exportnationen: Das Klammern an der exportorientierten Wirtschaft bringt Probleme. Unternehmen lassen sich nicht so weiteres dazu überreden, im Land zu bleiben. Da braucht es Förderungen und möglichst keine Gehaltserhöhungen. So sinken die Realeinkommen in diesen Ländern seit Jahren. Das wiederum belastet den Staatshaushalt, da er nicht so viel Steuern eintreiben kann, wie es angesichts der Wirtschaftsleistung möglich wäre. Die Überalterung tut ihr Übriges.

Daraus folgt: In spätestens zehn bis 15 Jahren sind wir dort, wo Griechenland jetzt ist. Warum aber sollten wir so lange warten? Wenn es heute schon klar ist, dass wir in Zukunft die Staatsschulden nicht mehr tilgen können, wäre es doch vernünftig, diese heute schon zu egalisieren. Ein Haircut von 70 Prozent in der gesamten EU würde den Staaten und der Gemeinschaft wieder Handlungsspielraum verschaffen.

Für die Weltwirtschaft freilich wäre das ein gewaltiger Schlag. Plötzlich würden nicht mehr die Staaten haften. Die zuvor „verstaatlichten“ Schulden der Finanzwirtschaft würden wieder auf diese zurückfallen. Etliche Banken würde das in den Ruin treiben. Vermutlich wäre die folgende Rezession härter, als das eine magere Jahr nach der Subprime-Krise. Fiskalpolitische Maßnahmen wären nötig. Allerdings wäre nun jenes Geld vorhanden, das zuvor als Zinsen abgeliefert werden musste.

Das alles klingt sehr radikal und die Auswirkungen sind kaum absehbar. Aber angesichts der Fundamentaldaten bin ich eher für das Ende mit Schrecken als den Schrecken ohne Ende. Denn eines ist für mich klar. Der Schuldenschnitt für Österreich und Deutschland wird kommen. Entweder als Haircut oder als Inflation.

 

von Roman Vilgut

Bildquelle: Ambro / FreeDigitalPhotos.net