SpielwieseGriechenland und das Ende der Wachstumsökonomie - Spielwiese

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Roman Vilgut

Journalist & Blogger

Griechenland und das Ende der Wachstumsökonomie

Eitelkeit, verletzter Stolz und das Festhalten an politischen Positionen hat dazu geführt, dass sich die Regierung Tsipras, IWF, EZB und die Euro-Finanzminister nicht auf neue Hilfsmaßnahmen für Griechenland einigen konnten. Ab Mittwoch ist das Land, wie der IWF sagt, in Zahlungsverzug. Ich beobachte das Theater als Journalist seit fünf Jahren und habe meine eigene Theorie, warum sich Griechenland und den gegebenen Umständen nicht erholen kann: Das Wirtschaftswachstum der Industrienationen ist am Ende.

Es ist kitschig, aber natürlich muss ich am Anfang meiner Analyse den Club of Rome zitieren, der seit den 1970er-Jahren auf die Grenzen des Wirtschaftswachstums aufmerksam macht. Die Simulation hat die Weltwirtschaft im Auge und geht davon aus, dass die Grenzen des Wachstums im 21. Jahrhundert erreicht sein werden.

Meine (persönlichen und nicht wissenschaftlichen) Beobachtungen der Entwicklung seit Lehman Brothers und dem Aufkommen der Schuldenkrise lassen für mich nur einen Schluss zu: In Europa ist das Ende des Wachstums bereits erreicht.

Wer bis hierher gelesen hat, wird sich nun fragen, was das Ende des Wachstums mit der aktuellen Situation Griechenlands zu tun hat. Die Antwort: alles!

Die Hilfspakete

2010 wurde das erste Hilfspaket für das Land geschnürt. IWF und Eurozone stützen die Regierung in Athen mit 110 Milliarden Euro. Das Geld kam allerdings mit einer Bedingung: Griechenland muss seinen Staatshaushalt in Ordnung bringen und sparen. Auch die Wirtschaft sollte entlastet werden, indem Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen werden.

Doch die Wirtschaft erholte sich nicht und relativ schnell war klar, das Land braucht ein zweites Programm. Der ESEF wurde eingerichtet. Griechenland erhielt die Zusage für weitere 100 Milliarden Euro und es kam zu einem privaten Schuldenschnitt.  Der Preis war: weitere Sparmaßnahmen. Weiterhin glaubten die Geldgeber daran, dass die griechische Wirtschaft sich wieder erholen werde.

Schulden und Wachstum

Doch was führte die Geldgeber zu der Annahme, dass die Wirtschaft sich trotz weniger Staatsausgaben erholen werde: Die westliche Wirtschaftspolitik geht weiterhin von einer zunehmenden Wirtschaftsleistung aus.

Wie sich das auswirkt, will ich mit einem Vergleich erklären: Ein Mann hat ein Jahreseinkommen von 20.000 Euro. Seine Ausgaben liegen auch exakt bei 20.000 Euro. Er könnte sein Einkommen jährlich um zehn Prozent steigern, wenn er ein Auto um 10.000 Euro kauft.

Er bekommt von der Bank einen endfälligen Kredit auf fünf Jahre zu einem Zinssatz von fünf Prozent. Die Zinsen sind jährlich zu begleichen. Er nimmt an und hat nun einen Schuldenstand von 50 Prozent seines persönlichen Produktionsniveaus (analog zum BIP eines Staates).

Im ersten Jahr nach dem Kredit verdient der Mann nun 22.000 Euro und muss die erste Zinszahlung von 500 Euro leisten. Die Mehreinnahmen betragen 1500 Euro. Mit ein bisschen Zinseszinsrechnung kommt nach fünf Jahren ein Plus (Wachstum – Zinsen) von 9710,2 Euro.

Jetzt gibt es zwei Szenarien.

1. Der Mann war eisern und hat seine Kosten nicht erhöht. Dann muss er nur noch 290 Euro an Schulden aufnehmen, um den Kredit zur Gänze Abzahlen zu können. Dank seines Autos kann er weiterhin mit einem Wachstum der Einnahmen um zehn Prozent rechnen und ab jetzt seinen Lebensstil verbessern und seine Ausgaben erhöhen, ohne dabei weitere Schulden zu machen.

2. Mit den laufenden Mehreinnahmen hat der Mann auch seine Ausgaben erhöht und lebt nun auf einem anderen Wohlstandsniveau. Er hat allerdings keine Ersparnisse und muss die 10.000 Euro refinanzieren. Dank seines Autos ist sein Jahreseinkommen innerhalb der fünf Jahre auf 32.210,2 Euro angewachsen. Die Bank hat daher kein Problem, ihm die 10.000 Euro zu refinanzieren. Sein Schuldenstand im Vergleich zu seinem persönlichen Produktionsniveau ist sogar gesunken. Er beträgt nun rund 31 Prozent (Vergleiche Schuldenstand zu BIP).

In Szenario zwei könnte der Mann sogar 16.000 Euro aufnehmen, ohne seinen Schuldenstand zum Produktionsniveau zu verändern.

Bei Staaten funktioniert das nicht anders. Solange die Wirtschaft wächst, kann man seine Ausgaben erhöhen, die Staatsschulden nach Ablauf der Frist verlängern und dennoch sinkt der Schuldenstand.

Das Problem

Noch schneller sinkt der Schuldenstand sogar, wenn man neben dem Wachstum auch noch die Ausgaben kürzt. Genau das wollte man in Griechenland erreichen.

IWF, EZB und Troika sind davon ausgegangen, dass die griechische Wirtschaft schon wieder wachsen werde. Schließlich ist die Wirtschaft in Europa in den vergangenen 200 Jahren in Friedenszeiten immer gewachsen.

Und genau da liegen die Institutionen falsch. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Wirtschaft in Europa von sich aus nicht mehr Wachsen kann. Wachstum ist nur durch staatliche Intervention möglich.

Was bedeutet das für Griechenland: In einer Wachstumsökonomie hätte das Austeritätsprogramm gewirkt, die Schulden wären im Vergleich zum BIP gesunken. Doch wenn Wachstum nur durch staatliche Intervention möglich ist, führen die Einsparungen dazu, dass die Wirtschaft schrumpft. Und dann steigt der Schuldenstand im Vergleich zum BIP trotz drastischen Sparmaßnahmen stätig an.

Die Konsequenz

Doch was bedeutet das in der jetzigen Situation. Die Regierung Tsipras pocht zurecht auf ein Ende der Austerität. Griechenland hat abseits des Tourismus keine Exportwirtschaft und verfügt über keine nennenswerten Rohstoffvorkommen. Wirtschaftswachstum und Mehreinnahmen können daher nicht von außen kommen. Nur staatliche Investitionen in Infrastrukturprojekte können die Wirtschaft wieder auf Kurs bringen.

Die Geldgeber pochen zurecht auf eine Reform des griechischen Staatssystems, die Abschaffung von steuerlichen Ausnahmen und die Privatisierung nicht systemrelevanter Infrastruktur. Auch die Forderung nach einem höheren Pensionsantrittsalter ist vollkommen gerechtfertigt, auch wenn kein anderer Regierungschef das in seinem Land durchbringen würde.

Dieses Dilemma ist nur auflösbar, wenn die Staats- und Regierungschefs sowie der IWF und die EZB akzeptieren, dass die Wirtschaft in Europa nicht mehr wachsen wird. Nur dann kann man sich von der Illusion lösen, dass Griechenland diesen Schuldenberg je wird zurückzahlen können. Nur dann ist der Weg für einen massiven Schuldenschnitt frei.

Was den Griechen dennoch nicht erspart bleiben wird, ist die Verschlankung des Staatsapparates. Ein Staat, der nicht mehr wächst, muss die Ausgaben senken.

Warum alle zögern

Weder IWF, die EZB oder die Finanzminister der EU-Staaten wollen das Ende des Wachstums akzeptieren. Dieses Eingeständnis hätte nämlich fatale Folgen für die Staatshaushalte aller EU-Staaten. Man könnte neue Schulden nicht mehr mit irgendwelchen Wachstumsprognosen klein rechnen.

Die Folge: Die übrigen Euro-Staaten müssten dieselben drastischen Maßnahmen setzen, die Griechenland, Zypern, Portugal und Irland angeordnet wurden. Das Reduzieren der Schulden wäre nur noch mit höheren Steuern und geringeren Ausgaben möglich.

 

Ich persönlich sehe zu dieser Entwicklung keine Alternative. Bleibt das Problem, dass weniger Staatsausgaben auch Österreichs Wirtschaft in eine Rezession stürzen würde. Der Schuldenstand im Vergleich zum BIP würde trotz Sparmaßnahmen steigen.

Es gibt auch hier nur eine Lösung: ein Schuldenschnitt für Österreich und alle anderen Eurostaaten. Ich bin mir sicher, wir werden das in den kommenden zehn bis 20 Jahren erleben.